Einleitung
Der Wunsch vieler Künstler ist es, nach ihrem Tode möglichst lange weiterzubestehen, ja: unsterblich zu werden. Das war schon immer schwer: Denn die Zukunft ist ungewiss, Kriege zerstören auch Kunstwerke und ein Künstler, der heute hoch bejubelt wird, mag in zwanzig Jahren schon längst vergessen und einsam in seiner Kammer sitzen. Aber in unserer Zeit ist es besonders schwer geworden: So viele Künstler gab es noch nie. Und so viele Kunstwerke, wohin damit? Und was ist, wenn das Leben auf dieser Erde nur noch wenige Jahrzehnte dauert? Michelangelo hat es da doch gut gegen uns. Er hat schon über vier Jahrhunderte auf dem Buckel. Ist es nicht fraglich, ob die Erde weitere vier Jahrhunderte durchhält? Also selbst wenn unsere Arbeit für wert befunden und erhalten wird, so haben wir doch schlechte Karten. Lohnt es sich da noch, für die Zukunft zu produzieren? Die Vergangenheit dagegen ist wesentlich berechenbarer. Wir schauen auf eine unvorstellbar große Zeitspanne zurück. Fangen wir ganz vorne an, zur Zeit der ersten Spuren menschlicher Existenz. Nur wenige Kunstwerke haben diese große Zeitspanne überdauert. Dagegen haben die Arbeiten Da Vinci's und erst recht Picassos doch kaum ein Alter. Meine Arbeiten reichen jetzt zurück bis an den Anbeginn der Menschheit.
Bildhauerbüro Lutz Weidler
- seit ca. 150.000 v. Chr.-
I. Die Altsteinzeit
ca. 600.000 bis 8.000 v. Chr
Faustkeil in Fischform
Fundort: Neandertal bei Düsseldorf
ca. 150.000 v. Chr.
Bei diesem Fundstück handelt es sich möglicherweise um den ältesten Beweis für die Existenz des Bildhauerbüros in der Altsteinzeit. Die Kopfbedeckung (Mütze, Helm, Hut) war noch nicht erfunden und fehlt deshalb hier folgerichtig. Wenn wir den Faustkeil von einer der Schmalseiten her betrachten, so erinnert die Form an den Körper eines Fisches. Schauen wir auf eine flache Seite, so können wir den Kopf eines Fisches erkennen. Der Stein schließt hier mit dem Rand des Kiemendeckels ab.
Höhlenzeichnungen
Grotte von Percheron (Frankreich,Jura)
ca 20.000 v. Chr.
Aus dem Tagebuch des Höhlenforschers Martin Brochet, 24.8.1956:
"... es war unglaublich. Überall an den Wänden fand ich Zeichnungen von Fischen. Kein Mammut,keine Rentiere, Pferde oder Ochsen! Ich hatte dergleichen noch nie gesehen. Über jedem Fisch aber befand sich ein dreieckiges oder halbkreisförmiges Gebilde. Was mochte das bedeuten ? Wenige leichte lockere Striche. Nichts von fester Umrisszeichnung aber welches Leben, welche Bewegung, welch ein Ausdruck! Ich kam mir vor wie in einem riesigen Aquarium. Langsam habe ich mich eingesehen in die Fülle der Linien, aber manchmal kann man doch die Zeichnung nicht erfassen. Ich krieche weiter. Es geht um Ecken, wieder um Ecken und noch einmal. Überall finden sich Bilder. Jetzt fällt die Höhle ab, es geht nach unten. Rechts ein Lachs, Barsche und Weißfische. Nun bin ich an der Stelle, wo die Bilder aufhören. Die Höhle geht weiter."
Versteinerung
Fundort: Köln
ca. 20.000 v. Chr.
Wir erkennen hier die Knochenreste eines kleinen, etwa sechs Zentimeter langen Fischchens. Das Skelett ist im hinteren Körperdrittel rechtwinklig abgebrochen. Darüber befindet sich gut sichtbar der Abdruck einer winzigen Wollmütze (Lederkappe). Das Original hat unseren Vorfahren wahrscheinlich als Amulett oder Talisman gedient.
II. Die Mittelsteinzeit
8000 bis 4000 v. Chr.
Knochengeräte
Ca. 6.000 v. Chr.
Die Formen dieser Fundstücke lassen Rückschlüsse auf andere, uns bisher völlig unbekannte Urfische zu, die den Menschen der Steinzeit wohlbekannt gewesen sein müssen. Sie gaben den mit Widerhaken bewehrten Speerspitzen die Formen der Tiere, die sie gejagt haben.
Der Quastenflosser (Latimeria chalumnae, dritte Fischzeichnung von oben) ist der einzige heute noch existierende Vertreter der ansonsten ausgestorbenen Ordnung Crossopterygii. Bis zur Entdeckung dieses Fisches im Jahre 1938 hielt man diese für unsere Vorstellungen über die Entstehung der Vierfüßer so wichtige Art für ausgestorben. Es bleibt zu hoffen, dass noch so manche andere Art dieser Familie (vielleicht einer der oben rekonstruierten Meeresbewohner) irgendwo in der Tiefe der Ozeane ein unbeobachtetes Dasein führt.
Geweih mit Ritzzeichnungen
Fundort. Saumon (Frankreich)
ca. 5000 v. Chr.
Die Zeichnungen wurden früher fälschlicherweise als Frauenkörper gedeutet. Jetzt, da man um die wahre Bedeutung der Ritzungen weiß, mutet das um so absurder an, zumal diese an Deutlichkeit des Fisch / Hut -Motivs nichts zu wünschen übriglassen.
Kultanlage von Moos
Landkreis Deggendorf
ca. 4000 v. Chr.
Die Entdeckung dieses Kultplatzes verdanken wir der Luftbildarchäologie. Stark durchnässte Böden mit glatter Oberfläche, die nach der Schneeschmelze oder (wie in diesem Fall) nach einem Platzregen im Frühjahr auszutrocknen beginnen, lassen in tieferen Schichten verborgene archäologische Störungen manchmal erkennen. Über ihnen bleibt die das Sonnenlicht schwach reflektierende Feuchtigkeit dann dunkel in den Umrissen der Störung auf dem sich aufhellenden Umfeld noch eine Welle erhalten, bis der ganze Acker die hellere Tönung gleichmäßig angenommen hat. Es wird vermutet, dass es sich hier um eine Art Irrgarten oder Labyrinth in Fischform handelte, durch welches man den einzigen Zugang zu dem in dem mützenförmigen Gebäude befindlichen Heiligtum, in dem sich auch die sieben Brunnen befanden, finden konnte.
Zweiteiliges Mehrzwecksteinwerkzeug
Fundort: Großsteingrab nahe dem heutigen Örtchen Chapeaupoisson
Ca. 4000 v. Chr.
- hacken, schlitzen -
- schaben, häuten, filetieren -
- hämmern, mahlen -
Bei den täglichen Arbeiten der Menschen zu Beginn der Jungsteinzeit war dieses Gerät eine unentbehrliche Hilfe, die neben dem praktischen Nutzen auch noch den mythischen Hintergrund vergegenwärtigte.
Das obere Werkzeugteil stellt wahrscheinlich eine Fellmütze dar.
III. Die Jungsteinzeit
4000 bis 2000 v. Chr.
Menhire von Lagatjar
Camaret (F)
ca. 3000 v. Chr.
Jahrhundertelang rätselte man über die Bedeutung der Menhire. Aber erst in unseren Tagen entdeckte man ihre wahre Bedeutung.
Die unter dem Erdmantel befindlichen Teile der Skulpturen sind weiß markiert. Die Steine sind aber nicht etwa mit der Zeit versunken und auch die Erdschicht ist seit den fünftausend inzwischen verstrichenen Jahren nur um wenige Zentimeter gewachsen. Die Erdoberfläche muss man sich vielmehr als Synonym für die Wasseroberfläche denken. Man hat somit versucht, den Fischskulpturen einen Ersatz für ihr verlorenes Element zu bieten.
Schnurkeramisches Gefäß
Gräberfelder in Krefeld-Gellep
ca. 2500 v. Chr.
Ein besonders seltenes Fundstück, da fast alle Tonwaren aus dieser Zeit keine gegenständlichen Abbildungen tragen. Erstaunlich ist auch, dass hier auf einer Vase zwei ganz unterschiedliche Verzierungstechniken verwendet wurden. Man schloss daraus, dass dieses Gefäß entweder nachbearbeitet wurde oder aber das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit zweier Töpfer oder Töpferinnen unterschiedlicher Kulturen ist.
Glockenbecher mit Kerbschnittdekor
Gräberfelder, Krefeld-Gellep
ca. 2000 v. Chr.
Die Fisch/Hut-Zeichnung auf diesem Becher weist einige Parallelen zu einer bestimmten Zeichnung in der Grotte von Percheron auf. Die Darstellung der Wirbelsäule und der Gräten, sowie die halbkreisförmige Strichzeichnung über dem Hut, die wohl ein Strahlen oder Leuchten darstellen soll. Verbindungen zwischen den beiden Darstellungen lassen sich aber nicht ziehen, da eine Zeitspanne von 18.000 Jahren dazwischen liegt. Möglich ist es jedoch, dass der Töpfer oder die Töpferin dieses Bechers die Höhle einmal gesehen und von der Zeichnung angeregt das Gefäß so gestaltet hat.
IV. Die Bronzezeit
2000 bis 800 v. Chr.
Rekonstruktion eines Pfahlbaudorfes
Bodensee
ca. 1800 v. Chr.
Der Fischreichtum im Bodensee muss zu dieser Zeit unermesslich gewesen sein. So wundert es nicht, dass gerade hier eine der größten "Filialen des Bildhauerbüros" ihren Standort hatte.
Prunkwaffe eines Bildhauerfürsten
Fundort: Pfahlbauten im Bodensee
ca. 1500 v. Chr.
Diese Speer-und Hiebwaffe diente wohl trotz scharfer Schneide vorwiegend Repräsentationszwecken. Die feine Verzierung von Fisch und Helm erzählt uns aus der Blütezeit des Bildhauerbüros.
Bruchstück einer Schale
Hockergrab, Bodensee
ca. 1500 v. Chr.
Auch dieses Fundstück aus unmittelbarer Nähe der Pfahlbauten zeugt von der hohen Kultur des dort ansässigen Fischervolkes. Wir erkennen noch Reste der ehemals grünen Bemalung. Das unterständige Maul des Fisches und die Form der Rückenflosse verweisen auf die Familie der Karpfen und Barben.
Die Fundstelle der Scherbe ist im Grab durch einen Pfeil markiert
Bronzemünzen
Fundorte: verschieden, Mitteleuropa
1500 bis 800 v. Chr.
In den nun folgenden Jahrhunderten breitete sich die Fisch/Hut-Kultur weiter aus. Die Mütze wurde immer mehr vom Helm verdrängt. Mit dem Aufkommen des Geldes und des Sammlerehrgeizes fanden zunehmend kriegerische Auseinandersetzungen statt. In den Kriegergräbern Mitteleuropas findet man ganze Sammlungen solcher Münzen, die ein Stamm dem anderen wieder abzujagen versuchte.
V. Die Eisenzeit
800 v. Chr. bis 800 n. Chr.
Drei Nadeln aus Bronze
Fundorte: unterschiedlich, Mitteleuropa
1000 bis 600 v. Chr.
Die Nadeln dienten der Befestigung von Kleidungsstücken.
Die rechte Nadel erzählt uns noch einmal aus der friedlichen Zeit des Bildhauerbüros. Da waren die Fische noch fett und auch der merkwürdige Hut hat einen sonnigen Charakter.
Die mittlere Nadel dagegen zeugt schon wieder von der waffenstrotzenden Zeit danach. Und auch der dazugehörige Fisch ist stromlinienförmig und pfeilgeschwind.
Prunkwagen, Bronze und Gold
Fundort: unbekannt
Um Christi Geburt
Irgendwo muss wohl doch noch eine Filiale des Bildbauerbüros" den Unbilden der Zeit getrotzt haben. Aus dieser Zeit ist uns das schönste Fundstück der Sammlung erhalten geblieben. Die gut bewaffneten Reiter auf den Seiten des Wagens lassen uns erahnen, wie schwer diese Existenz gewesen sein muss. Die große Frau auf der Mitte des Wagens trägt den goldenen Fisch.
Eine solch vollendete Darstellung ist in der Geschichte des Bildhauerbüros einzigartig. Die schlichte und doch detailgetreue Darstellung des Helmes lenkt die Aufmerksamkeit nicht vom wesentlichen Kern des Objektes, dem Fisch, ab, sondern krönt ihn mit bescheidener Würde.
Der Fisch selbst ist so ausführlich und naturgetreu dargestellt, dass wir ihn mit Sicherheit in die Familie der Lachse einordnen können, wofür nicht zuletzt die für Salmoniden typische Fettflosse am oberen Schwanzansatz bürgt.
Interessant ist weiterhin, dass in diesem Fisch beide Geschlechter gleichzeitig dargestellt sind. Die prall gefüllte Bauchhöhle ist typisch für das laichreife Weibchen. Den für die männlichen Lachse markanten ausgeprägten Laichhaken finden wir am Unterkiefer des Fischkopfes.